Hagelkörner

Wissenschaft

Die Wirksamkeit der Hagelabwehr wird kontrovers diskutiert. Ein eindeutiger wissenschaftlicher Nachweis ist mit den heutigen technischen Hilfsmitteln noch nicht möglich. Gewitter können nicht im Labor untersucht werden. Auch ist es mit den heutigen Radaranlagen nicht möglich, Hagelkörner in den Gewitterwolken eindeutig zu erkennen. Man kann also nicht untersuchen, wie sich ein und dasselbe Gewitter mit und ohne menschlichen Eingriff verhalten würde.

Die grundlegenden Wirkungsprinzipien sind aber als wirksam bewiesen und können nicht grundsätzlich und ernsthaft in Frage gestellt werden. Es gibt einige seriöse Quellen und Auswertungen, welche eine Wirksamkeit klar bestätigen.

Studie Hagelabwehr in Niederösterreich

Zusammenfassung Studie Hagelabwehr in Niederösterreich

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hat 2005 eine Studie über die Hagelabwehr im Raum Krems (Niederösterreich) publiziert.

Zwischen 1956 und 1976 wurden im Grossraum Krems Raketen zur Hagelabwehr eingesetzt, welche von insgesamt 140 Abschussstellen aus in Richtung eines Gewitters abgefeuert wurden, in der Hoffnung die notwendige Menge Silberjodid an die richtige Stelle zu bringen.

1978 wurde auf Flugzeuge umstellt. In der Folge übernahm der Flugwetterdienst Wien-Schwechat (Austro Control) die Beratung und Betreuung des Hagelabwehrversuchs. Zudem wurde 1987 ein Wetterradar zur stationären Verwendung angeschafft. 1992 kamen neue Generatoren hinzu. Diese beiden Faktoren ermöglichten eine schnellere und exaktere Lokalisierung von Hagelbildungsprozessen und führten zu einer effizienteren Ausbringung des Silberjodids. Die Grösse des Untersuchungsgebiets betrug 500 km2.

Nutzen der Seeding-Reports

Für alle Flugeinsätze wurden sogenannte Seeding-Reports erstellt. Diese enthielten u. a. Informationen über ausgebrachte AgJ-Menge oder Aufwindstärke, Höhe der Wolkenbasis, Temperatur in der Flughöhe und Zugrichtung der geimpften Gewitterzellen im Einsatzgebiet. Durch diese Datensicht, das Wissen über Andauer und Intensität der aufgetretenen Hagelschäden, wurde es möglich, Kosten/-Nutzenrechnungen zu erstellen.

Methodenprüfung und Messinteresse

Mit Hilfe eines Bodenmessnetzes, bestehend aus 127 Hageltestplatten (HTP) auf einer Fläche von 500 km2 wurde die Effizienz der einzelnen Einsätze überprüft und es konnte die räumliche Verteilung der Hagelschläge während des HTP-Projekts bestimmt werden.

Zudem waren hierbei weitere Aspekte von Interesse: Ob die Platte überhaupt getroffen wurde und falls dies bejaht werden konnte, mit welcher Häufigkeit und welche Intensität diese besassen. Letztere setzt sich aus dem Hagelkornspektrum und der Summe der kinetischen Energie beim Aufschlag, in Abhängigkeit des Einfallswinkels ALPHA mit welchem die Hagelkörner auftrafen, zusammen. Mit der letzten Information lässt sich eine Einschätzung über den verursachten Schaden in der Landwirtschaft vornehmen.

Ergebnisse

  • Reduktion der durch Hagel getroffenen Fläche:«Im Zeitraum 1981 bis 1990 wurden jährlich durchschnittlich 22 Stationen von Hagel getroffen, in den folgenden zehn Jahren nur mehr 9 Stationen.»
  • Deutliche Abnahme des Durchmessers der Hagelkörner: Hagelkörner mit einem Durchmesser von 20 bis 35 mm fallen gar nicht mehr, die Kornklasse 15 mm ist praktisch gar nicht mehr vertreten und die 10 mm wurde auch seltener. Hingegen kann die Grafik eine Zunahme der untersten Kornklasse (5 mm) veranschaulichen.
  • Signifikanter Rückgang der hohen Energieklassen: Mit diesen kann u. a. der zu erwartende Schaden für die Landwirtschaft beziffert werden. Stationen mit 200 Joule/m2 wurden ab 1993 nur noch selten gefunden. Die anderen höheren Klassen sind ebenso stark gesunken bzw. konnten jene in der unmittelbaren Vergangenheit bisweilen gar nicht mehr gelistet werden.
  • Unterschiede bei der Empfindsamkeit der Agrarprodukte: Diese ist von der jeweiligen Phänophase und der Art des Anbauerzeugnisses abhängig. Am stärksten litten unter Hagel in der untersuchten Zone die Äpfel mit 50 % Ertragsverlust, bei Wein waren 30 % Ernterückgänge zu verzeichnen und bei Mais 10 %.
  • Hohe Korrelation der Energiewerte und Schadensverläufe: Die Schadensschätzungen der Experten der Österreichischen Hagelversicherung in der unmittelbaren Umgebung getroffener HTP stimmen in hohem Masse mit den aus den getroffenen Platten berechneten Energiewerten überein. Der Schadensverlauf ergibt sich aus der Sicht der Versicherung aus dem Verhältnis zw. der Höhe der eingezahlten Prämie und der Höhe der ausbezahlten Entschädigung.
  • Die Schadensverlaufszahlen sind vergleichbar: Die des politischen Bezirkes Krems-Land können mit jenen von anderen politischen Bezirken ohne Hagelabwehr-Massnahmen verglichen werden.

«Die Schadensverläufe in den politischen Bezirken Krems- Land und Wiener Neustadt-Land in den Jahre 1981 bis 2000 zeigen, dass jener von Krems-Land nach den ungünstigen Jahren 1990 bis 1995 stetig geringer wird, während in Wiener NeustadtLand ab dem Jahre 1995 ein Anstieg zu verzeichnen ist und sich die jährlichen Werte des Schadensverlaufes bei knapp 100 Prozent einpendeln.» (S. 47)

  • Grösste Hagelgefahr: Zwischen Mitte Mai bis Ende Juni ist Hagel am wahrscheinlichsten, hingegen ist die durchschnittlich verhagelte Fläche im Juli am grössten.
  • Dominante Zugrichtung der hagelführenden Gewitterzellen: Die Auswertung der Vertikalplatten, die in alle vier Himmelsrichtungen ausgerichtet werden, hat ergeben, dass die Zellen bevorzugt von Nordwest in Richtung Südost ziehen.
  • Abdruckanzahlveränderung von Hagelkörnern: Geringe Veränderungen auf einer durchschnittlich verhagelten Deckplatte.
  • Abnahme der mittleren Jahreszahl von Hageltagen:Diese hat sich inzwischen auf einem konstanten Niveau zwischen drei und vier eingependelt. Anfang der 80er Jahre lag diese noch zwischen fünf und sechs Tagen. Zudem sieht man auf dieser Grafik im Vgl. zur oberen die lokale Veränderung und Abnahme des Hagels.

Studie Hagelabwehr in der Region Stuttgart

Zusammenfassung Studie Hagelabwehr in der Region Stuttgart

Die vom Landratsamt Rems-Murr-Kreis in Auftrag gegebene Studie unter dem Titel «Hagelabwehr in der Region Stuttgart» konnte die signifikante Wirksamkeit des eingesetzten Hagelabwehr-Verfahrens statistisch belegen.

Die Studie wurde vom Meteorologischen Institut der Universität Hohenheim im Zeitraum 1980 bis 1999 durchgeführt und gliederte sich in zwei Teile. Bis 1989 fand die Versuchsphase statt, danach folgte die Projektphase, in welcher erst zwei Hagelflieger des Typs Partenavia 68 in den ersten fünf Jahren eingesetzt wurden und ab 1995 nur noch eines.

Die Flugzeuge wurden mit zwei Generatoren ausgestattet, die mit Silberjodidacetonlösung befüllt wurden. In der Zone des grössten Aufwinds wurden in der Gefrierzone (0 bis -56 Grad) die Lösungen gezündet und die Silberjodidionen so in der Wolke gleichmässig verteilt. Bei diesem Verfahren werden Kristallisationskerne erzeugt, um diese sich kleine Partikel von Wasser anlagern. Dadurch entstehen kleine Eiskristalle, die beim Fall durch die Wolken abtauen und als Tropfen niederregnen.

Fazit
Das Resultat war eine statistisch nachweisbare, signifikante Abnahme (ca. 120 %) der Hagelschäden und eine Gesamtschadensreduzierung um mehrere 100 Millionen DM.

«Rechnet man den durchschnittlichen Anstieg in Baden-Württemberg von 99 % plus die Minderhagelneigung von 19 %, so kommt man auf deine Wirksamkeit der Hagelabwehr von fast 120 %.» (Landratsamt Rems-Murr-Kreis, S. 4)

Finanziert wurde die Studie durch staatliche und private Stellen.

Studie Main Results of Grossversuch IV (Federer, et al., 1986)

Zusammenfassung Studie Main Results of Grossversuch IV (Federer, et al., 1986)

Die Studie erschien 1986 im Journal «American Meteorological Society» und zählt zu den wichtigsten Forschungsergebnissen im Hinblick auf die Wirksamkeit von Hagelabwehrmethoden.

Das Feldexperiment hierzu fand von Mai 1977 bis September 1981 in der Zentralschweiz statt und wurde von Forschern aus Frankreich, Italien und der Schweiz durchgeführt. Es wurde die «Sowjetische Hagelabwehrmethode» untersucht. Die Durchführung des Experiments war identisch mit dem Forschungsprojekt in der ehemaligen Sowjetunion. In der Schweiz wurden ebenfalls sowjetische Raketen und Trägerraketen und der gleiche Impfstoff eingesetzt.

Ergebnisse aus der ehemaligen Sowjetunion verblüfften Forschungswelt

Im Gegensatz zur Studie «Hagelabwehr in Niederösterreich» umfasste das Gebiet mit 1’300 km nahezu die dreifache Fläche. Das konkrete Forschungsinteresse bestand darin, die kinetische Energie von geimpften und nicht geimpften Hagelzellen festzustellen. In der ehemaligen Sowjetunion und in Osteuropa wurde verlautet, dass die dortige Hagelreduktion durch Hagelabwehr zwischen 70 % und 90 % liegen würden, jedoch konnten die Resultate einer sorgfältigen wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten.

Das Hauptergebnis besagt, dass in den meisten Tests keine statistisch signifikante Wirkung beim Impfen der Hagelzellen auf die kinetische Energie im Vergleich auf nicht geimpfte Hagelzellen nachgewiesen werden konnte. Jedoch konnten durchaus auch Reaktionen beobachtet werden. Aber durch die multiplen Einflüsse, die auf die Gewitterzellen wirken, konnte keine empirisch haltbare Aussage über die Wirksamkeit von Hagelabwehr durch das Impfen der Gewitterzellen mit Silberjodid getroffen werden.

Mehr Forschungsbedarf als empirisch haltbares Wissen vorhanden

Es bedarf mehr Forschung, um die Wirkungen der unterschiedlichen Einflussfaktoren auf Wolkenbildung und Hagelschlag und deren Interaktion besser zu verstehen. Die Grundannahme und die Ergebnisse der sowjetischen Forschung konnten somit in der Schweiz nicht bestätigt werden, auch wenn gesagt werden kann, dass Hagelabwehr deshalb nicht generell als unwirksam eingestuft werden sollte. In der Studie wird darauf eingegangen, dass das Wissen über die mikrophysikalischen und dynamischen Aspekte von Hagelbildung noch nicht vollständig sind und bisherige Untersuchungen vielen Mängeln ausgesetzt waren und zudem schwer vergleichbar sind.

Die Studie wurde von den Landwirtschaftsministerien der drei Länder Frankreich, Schweiz und Italien, von der ETH sowie von Schweizer und französischen Versicherungen finanziert.